Stellungnahme zu ABA

Wir, vom Verein Bewusst Autistisch e.V. vertreten ABA nicht, im Gegenteil, wir sehen darin etwas Negatives wie Teile einer Tierdressur, was an sich schon zu verurteilen ist.

Wir finden nur Therapieformen gut, die uns Autisten wertschätzen und respektieren, also uns helfen, im Alltag zurecht zu kommen.

Therapieformen wie ABA, die darauf abzielen, den Autismus zu unterdrücken und unsichtbar zu machen, halten wir für menschenverachtend. Außerdem kann eine solche Therapie das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität eines Menschen in hohem Maße beeinträchtigen. Lebensqualität gleich Null.

Maria Schünemann


Was ist ABA?

ABA steht für Applied Behavior Analysis. Zu deutsch: angewandte Verhaltensanalyse. Die Verhaltensanalyse ist zunächst ein Fachgebiet im Bereich der Psychologie. Dort setzen sich Forscher mit dem Verhalten von Mensch und Tier auseinander.

Im Bereich des Autismus steht ABA für eine intensive Psychotherapieform, mit welcher eine Verhaltensänderung im Sinne der Entwicklung von Verhalten, wie es (aus Sicht von Vertretern von ABA und anderen) gesellschaftlich-sozial gewünscht ist, sowie eine Verringerung von sogenanntem nicht angepasstem und unangemessenem Verhalten erreicht werden soll. Zudem soll ABA schon möglichst früh angewendet werden. Je jünger die Kinder desto größer der „Therapieerfolg“. Von Vertretern von ABA wird eine Therapielänge von 2 Jahren intensivster Therapie veranschlagt. Die Auswirkungen von ABA auf die damit behandelten Autisten wirken sich auf das gesamte Leben dieser Autisten belastend aus, da eine Behandlung mit ABA den Autismus keineswegs beseitigt, sondern nur dazu führt, dass der Autist sich die Bedürfnisse versagt und unterdrückt, die Folge seines Autismus sind.

Autisten sollen also dazu gebracht werden, ihren Autismus zu maskieren, und alle Verhaltensweisen, mit denen sie in der Gesellschaft anecken, zu unterdrücken – damit sie möglichst nicht auffallen.

Dies geschieht, indem Autisten wie in einer Dressur zu erwünschten Verhaltensweisen durch Belohnungen wie gewünschte Nahrungsmittel, Zugang zu Spielzeugen oder Lob konditioniert werden, um erwünschte Verhaltensweisen von Nicht-Autisten zu imitieren. Das nennt sich dann Verstärkung. Sogenanntes unangemessenes – also autistisches – Verhalten wird hingegen bestraft, indem ihnen die sie beruhigende Beschäftigung mit von ihnen geliebten Spezialinteressen versagt wird.

Diese Dressur ist sehr tiefgreifend, denn ABA ist darauf ausgelegt, immer und überall angewendet zu werden; mindestens 30-40 Stunden wöchentlich. Das heißt, dass die Autisten nie Ruhephasen haben, sondern ständig dem Druck des sich Anpassen-Müssens ausgesetzt sind. Es sollen sowohl Eltern, Fachkräfte als auch andere Betreuungspersonen einbezogen werden. Die „Therapie“ findet in der Küche, in der Badewanne, vor dem Fernseher, auf dem Spielplatz, beim Springen auf dem Bett, im Auto oder in jeder anderen Situation statt.
Durch diese Behandlung wird Autisten suggeriert, dass sie, so wie sie sind, falsch und/oder wertlos sind. Das kann bis zu Suizidgedanken oder gar Suizidversuchen führen.

Die Anwendung von ABA bedeutet außerdem, dass Nicht-Autisten für Autisten entscheiden wollen, welche Verhaltensweisen für die Autisten gut und sinnvoll sind. Aber Nicht-Autisten haben nicht die Innenperspektive von Autisten und können daher viele Verhaltensweisen von Autisten nicht nachvollziehen, die für Autisten zweckmäßig und hilfreich sind.

Warum Nicht-Autisten nicht die Innenperspektive von Autisten haben, soll an dieser Stelle näher erklärt werden:

Nach aktuellem Forschungsstand ist Autismus genetisch bedingt und beruht auf einer Reizfilterschwäche. Das bedeutet, dass die sensorischen Reizfilter bei Autisten verringert sind oder auch ganz fehlen – daher müssen Autisten mehr Reize verarbeiten als der Rest der Bevölkerung. Dies ist sehr anstrengend.
Um mit ihrer Reizfilterschwäche umzugehen, entwickeln Autisten spezielle Verhaltensweisen, die aus ihrer Innensicht heraus sinnvoll sind, um mit den Herausforderungen umzugehen, denen sie auf Grund ihrer Reizfilterschwäche im Alltag ausgesetzt sind. Um diese Verhaltensweisen nachvollziehen zu können, muss man entweder selbst Autist sein oder als Nicht-Autist auf Augenhöhe mit Autisten über ihre Bedürfnisse sprechen.
Was Autisten somit hilft, sind Therapieformen, bei denen verständnisvoll auf ihre Innenperspektive und die daraus resultierenden Bedürfnisse Rücksicht genommen wird – doch das ist bei ABA nicht der Fall.

Dieser Punkt soll hier anhand eines Beispiels noch näher illustriert werden:

Bei der Anwendung von ABA werden die autistischen Kinder dazu gebracht, ihre Stimmings zu unterdrücken. Stimmings sind repetitive Verhaltensweisen, die Autisten ermöglichen, durch die Wiederholungen einer bestimmten Tätigkeit sich zu beruhigen, um der Reizüberflutung durch bekannte Muster zu entkommen. Einige flattern z.B. mit den Händen vor den Augen, andere stoßen immer wieder kurze und lange Laute aus, um sich zu beruhigen. Weniger auffällige Beispiele für Stimmings sind z.B. Wippen mit dem Oberkörper und Schnipsen mit den Fingern. Die Palette ist vielfältig.

Das hierauf konzentrieren entlastet und beruhigt, da es sich um bereits Bekanntes handelt. Wenn nun diese Stimmings abtrainiert werden und stattdessen sogenanntes prosoziales Verhalten antrainiert wird, werden die Autisten ihrer Beruhigungsstrategien beraubt.

Anstatt zu lernen, wie man zum eigenen Autismus steht und wie man mit den eigenen Energiereserven umgeht, werden Autisten also mit ABA gezwungen zu lernen, wie sie ihren Autismus maskieren. Auch das ist sehr anstrengend. Da bleiben kaum/keine Reserven, um mit unvorhergesehenen Situationen bzw. überhaupt Änderungen im Leben zurecht zu kommen.

Je länger nun die durch ABA antrainierte Maske aufrechterhalten wird bzw. aufrechterhalten werden muss, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, in einen autistischen Burnout zu geraten. Im autistischen Burnout hat ein Autist keine Kraft mehr, die Maske weiterhin aufrecht zu erhalten; die autistischen Verhaltensweisen treten umso stärker wieder zu tage und der Autist ist chronisch erschöpft.

Dieses Rutschen in den autistischen Burnout erfolgt häufig so:
Autisten werden durch die Anwendung von ABA im Kindes- und Jugendalter ihre autistischen Verhaltensweisen abtrainiert und dann unterdrücken sie als Erwachsene diese Verhaltensweisen weiter. Doch da Autismus genetisch bedingt ist, bleibt er ein Leben lang erhalten und aus autistischen Kindern und Jugendlichen wachsen somit autistische Erwachsene heran, die weiterhin wegen ihrer Reizfilterschwäche besondere Bedürfnisse haben und darunter leiden, wenn sie diese Bedürfnisse aufgrund einer Erziehung mit ABA unterdrücken. Mit zunehmendem Alter schwinden dann die Energiereserven dieser autistischen Erwachsenen immer weiter und sie leiden dann immer mehr darunter, dass sie aufgrund ihrer Behandlung mit ABA ihre Bedürfnisse unterdrücken – bis sie schließlich im autistischen Burnout unter dieser Last zusammenbrechen.

Wir warnen daher vor Versprechungen, dass Autisten durch ABA ein glücklicheres und selbstbestimmteres Leben führen könnten. Stattdessen führt die Anwendung von ABA bei den von dieser Therapieform betroffenen Autisten zu einem Lebensgefühl, sich ständig verstellen zu müssen, was diese belastet und zu einem autistischen Burnout führen kann.